Equal Play – Chancengerechtigkeit im Spiel und Training
Equal Play
Der Begriff Equal Play bezieht sich auf die Herstellung von Chancengerechtigkeit bei Trainings- und Spielbedingungen für alle Sportler*innen, unabhängig vom Geschlecht. Im engeren Sinne bedeutet dies die geschlechtergerechte Verteilung von Ressourcen, zum Beispiel in Bezug auf die Verfügbarkeit von Trainings- und Spielstätten, Trainings- und Spielzeiten, Sportstätteninfrastrukturen, geschlechtsspezifische Trainingsmethoden, Sportausrüstung oder medizinisches Betreuungspersonal. Diese Aspekte haben insbesondere für den Spitzensport eine große Bedeutung.
In einem weiteren Verständnis können auch Themen wie Sichtbarkeit und Vorbilder, Vereinbarkeit von Familie und Sportkarriere, die Geschlechterverteilung in Entscheidungs-positionen oder das Sportsponsoring als wichtige Bedingun-gen für Equal Play gedacht werden.
Zugang und Teilhabe
Rund die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland ist einmal pro Woche sportlich aktiv – dies trifft auf jeweils 54 Prozent der Frauen und Männer zu.1 Mädchen und Frauen sind dennoch weniger häufig Mitglied in einem Sportverein als Jungen und Männer.2 Dies liegt zum Teil daran, dass sich das Angebot von Sportvereinen häufig vorrangig auf Ball- und Wettkampfsportarten konzentriert – diese entsprechen eher den Sportmotiven und -präferenzen von Jungen und Männern.3
Geschlechtsbezogene Zuschreibungen in Bezug auf Sportarten, die in gesellschaftlichen Denkmustern und Strukturen verankert sind, stellen vor diesem Hintergrund eine Hürde für geschlechtergerechte Zugangsmöglichkeiten zum Vereinssport dar. Der Vereinssport bildet das Fundament für den Leistungs- und Spitzensport.
Spitzenverbände mit den meisten Mitgliedschaften nach Geschlecht
In 14 der 66 Spitzenverbände des DOSB ist der Anteil weiblicher und männlicher Mitglieder nahezu ausgewogen, in 52 herrscht hingegen ein Ungleichgewicht. In drei der fünf größten Spitzenverbände mit jeweils über einer Million Mitgliedschaften zeigen sich große Unterschiede in Bezug auf die Geschlechterverteilung. Männer sind im Fußball (84 Prozent) und bei den Sportschütz*innen (74 Prozent) deutlich häufiger vertreten als Frauen. Im Turnsport hingegen sind Frauen mit 77 Prozent deutlich stärker vertreten. Im Deutschen Tennis-Bund (DTB), sowie im Deutschen Alpenverein (DAV), der die Kernsportarten Wandern, Klettern, Mountainbiken, Bergsteigen oder Skibergsteigen umfasst, ist die Geschlechterverteilung ausgeglichener.4
Verteilung von Ressourcen
Finanzielle Förderung, Sportstätten und Personal
Die Verteilung von Ressourcen im Sport zeigt deutliche geschlechtsbezogene Unterschiede, insbesondere in Bezug auf die finanzielle Förderung, Sportstätten und Personal.
Finanzielle Förderung
Ein Blick auf die Basis des Sports zeigt: Auf kommunaler Ebene werden 80 Prozent der Gesamtausgaben im Sport mit öffentlichen Geldern finanziert.5 Sportstudien einzelner Städte wie Berlin oder Tübingen zeigen jedoch, dass Sportfördermittel häufiger in männerdominierte Sportarten fließen bzw. mehr Männer im Rahmen der Vereinsmitgliedschaft von Sportförderung profitieren.6,7 Die öffentliche Sportförderung, zum Beispiel für Infrastruktur, erfolgt noch zu großen Teilen ohne die Berücksichtigung von Gleichstellungsaspekten.8
Auch im Bereich des Sportsponsorings erhalten Frauen deutlich weniger finanzielle Mittel. 2019 lag das Gesamtmarktvolumen des finanziellen Sportsponsorings durch Unternehmen weltweit bei 30,87 Milliarden US-Dollar (Sponsoring von Ligen, Teams, Athlet*innen, Verbänden/Organisationen). Zwar haben die finanziellen Sponsoringmittel in den letzten Jahren für Frauen zugenommen, nichtsdestotrotz entfielen 2019 weltweit lediglich 7 Prozent auf die Frauensportindustrie.9 Ein Grund für die geringeren Sponsoringeinnahmen im Frauensport ist die fehlende mediale Sichtbarkeit.
Sportstätten und Trainingszeiten
An der Basis des Sports erfolgt die Vergabe von Trainings- und Spielstätten sowie -zeiten durch Kommunen und die Sportvereine selbst. Auch hier zeigen sich geschlechtsbezogene Ungleichheiten. Oftmals werden Hallen- und Platzzeiten bevorzugt an männlich dominierte Sportarten oder Mannschaften der Männer vergeben, während Frauen und Mädchen weniger Zugang zu diesen Ressourcen haben.8 Dies führt zu einer ungleichen Verteilung von Trainingsmöglichkeiten und erschwert eine gleichberechtigte Teilhabe am Vereinssport.
Darüber hinaus sind Frauen im Schnitt weniger zufrieden mit einzelnen Vereinsaspekten, zum Beispiel Sanitäranlagen oder Umkleideräumen.10 Oftmals sind diese Bereiche nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten bzw. stehen nicht ausreichend zur Verfügung, was als weitere Hürde für eine gleichberechtigte Teilhabe gewertet werden kann.3
Personal: Geschlechterverhältnisse in verschiedenen Funktionen
Die Rolle von Frauen im Sport und in den Vereinen hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt, jedoch sind sie nach wie vor in Führungspositionen sowie als Trainer*innen und Schiedsrichter*innen unterrepräsentiert. Vor dem Hintergrund verschiedener Ungleichheiten im Sport ist es deshalb umso wichtiger, Vielfalt und die Perspektiven verschiedener Geschlechter in diesen Positionen zu fördern und Vorbilder sichtbar zu machen.
Während die Frauenanteile in Vorständen von Vereinen und bei den Schieds- und Kampfrichter*innen 2019 bei 31 Prozent bzw. 29 Prozent lagen, war der Frauenanteil bei Trainer*innen und Übungsleiter*innen mit 40 Prozent höher.11 Im Breitensport verfügen zwar mehr Männer über eine Trainer*innen-Lizenz, allerdings erreichen hier im Durchschnitt mehr Frauen höhere Lizenzstufen. Im Leistungssport hingegen verfügen mehr Männer über höhere Lizenzstufen.12
Geschlechtsspezifisches Training
Wie viele andere Bereiche sind auch Sportmedizin und Sportwissenschaften von einer Forschungslücke in Bezug auf Geschlecht geprägt (Gender-Data-Gap). Das Training orientiert sich deshalb oft an den Bedürfnissen des männlichen Körpers und basiert auf Erkenntnissen der Forschung über Männer.13 Frauenspezifische Themen finden in der Forschung und in der Praxis bislang zu wenig Berücksichtigung, zum Beispiel Training während und nach einer Schwangerschaft, Menopause, Beckenbodenschwäche oder das Relative Energie-Defizit-Syndrom (RED-S), ein komplexes Syndrom, das auf eine geringe Energieverfügbarkeit zurückzuführen ist und häufiger bei Frauen auftritt – zum Beispiel in Form von Zyklusstörungen. Dem zyklusbasierten Training als ein Aspekt des geschlechtsspezifischen Trainings kommt seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit erhöhte Aufmerksamkeit zu. Für die Ausbildung von Trainer*innen sind diese Themen von besonderer Bedeutung. Sie sind jedoch oftmals noch nicht (ausreichend) in die Curricula der Lizenz-Ausbildungen integriert.
Zyklusbasiertes Training
Die Berücksichtigung des Menstruationszyklus in Bezug auf Training, Belastbarkeit und Erholungsphasen ist entscheidend für die Leistungs-fähigkeit von Sportlerinnen in allen Sportarten und die Vermeidung von Verletzungen. Die hormonellen Veränderungen innerhalb eines Zyklus können das Verletzungsrisiko beeinflussen, insbesondere der Anstieg von Östrogen, der zu Gewebelockerungen und weniger stabilen Gelenken führen kann.14, 15
Sportausrüstung und Sportbekleidung
Auch passende Sportkleidung und Ausrüstung sind nicht unwesentlich für den sportlichen Erfolg. Diese werden jedoch oft für den männlichen Körper entwickelt, für weibliche Körper wird dann ein identisch konstruiertes Produkt in kleineren Größen angeboten („pink it and shrink it“). Dies kann dazu führen, dass Frauen und Menschen mit anderen Körpertypen Schwierigkeiten haben, passende Kleidung und Equipment zu finden. Schlechtsitzende Ausrüstung kann die Leistung beim Sport beeinträchtigen und sogar ein Verletzungsrisiko darstellen. In den letzten Jahren sind immer mehr Firmen, die Sportkleidung und -ausrüstung herstellen, auf dieses Problem aufmerksam geworden und bieten nun speziell angepasste Ausrüstung für verschiedene Körpertypen an. So gibt es seit 2020 einen für Frauen konzipierten Fußballschuh.16, 17
Neben der Funktionalität spielt bei der Sportbekleidung auch oft das Thema Sexismus eine Rolle. In einigen Sportarten ist die vorgeschriebene Bekleidung für Frauen deutlich körperbetonter als die für Männer, ohne dass dies funktional begründet ist. Im Beachhandball führte der Protest von Spielerinnen gegen die Sexualisierung und für mehr Selbstbestimmung bereits zu Änderungen der Kleiderordnung. Inzwischen wird in vielen Sportarten über Kleidervorschriften und die Sexualisierung von Sportlerinnen diskutiert.
Abbildungen zum Herunterladen als PDF
- Abb.1_Equal Play
- Abb. 2_Wöchentliche Sportausübung
- Abb. 3_Sportvereinsmitgliedschaften
- Abb 4_Mitgliedschaften DFB
- Abb. 5_Mitgliedschaften DTB (Turnen)
- Abb. 6_Mitgliedschaften DTB (Tennis)
- Abb.7_Mitgliedschaften DAV
- Abb.8_Mitgliedschaften DSB
- Abb.9_Sportsponsoring weltweit 2019
- Abb. 10_Vorstandsmitglieder Sportvereine
- Abb. 11_Schieds- und Kampfrichter*innen 2019
- Abb. 12_Trainer- und Übungsleiter*innen 2019
- Abb. 13_Zyklusbasiertes Training
Factsheet zum EU-Aktionsplan Geschlechtergerechtigkeit im Sport: Europäischen Kommission Towards More Gender Equality in Sport. Recommenda-tions and Action Plan. From the High Level Group on Gender Equality in Sport (2022), Luxembourg: Publications Office of the European Union, 2022. Link zum Factsheet
Strategie DOSB 2028 Link zur Strategie
Strategie Frauen im Fußball FF27>> des DFB Link zur Strategie
Bundesinstitut für Sportwissenschaft: Forschungsschwerpunkt FeMaLe – Frauen und Mädchen im Leistungssport Link zum Forschungsschwerpunkt
Digitale Vergabe von Nutzungszeiten öffentlicher Sportstätten Link zum Sportstättenportal - Berlin.de
Zyklusorientiertes Training:
Gendermedizin und Sport: zyklusorientiertes Training, Dokumentation des Bayerischen Rundfunks auf YouTube
Zyklus und Sport – Videoreihe von Laura Philipp auf YouTube, Triathletin
Literaturtipp: „Die Body Bible für Frauen“ von Dr. Emma Ross, Baz Moffat und Dr. Bella Smith (2023) Link zum Buch
1 Späing, M., Repenning, S., Meyrahn, F., An der Heiden, I., Ahlert, G. & Preuß, H. (2022): Sportaktivität und Sportkonsum: Eine Frage des Geschlechts? Aktuelle Daten zur Sportwirtschaft, November 2022. 2HMforum. GmbH, GWS mbH, Universität Mainz. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp), Berlin und Bonn. Link zur Studie
2 Deutscher Olympischer Sportbund e. V. (2023): Bericht des Präsidiums und des Vorstands zur 20. Mitgliederversammlung 2023. Gleichstellungsbericht, Frankfurt am Main. Link zum Bericht
3 Bartsch, F. & Rulofs, B. (2023). Diversität im organisierten Sport, in: M. Funder, J. Gruhlich, & N. Hossain (Hrsg.): Diversitäts- und Organisationsforschung - Handbuch für Wissenschaft und Praxis (S. 519-538). Nomos.
4 Deutscher Olympischer Sportbund e. V. (2023): Bestandserhebung 2023, 1. Digitale Auflage, Frankfurt am Main. Link zur Bestandserhebung
5 Mommert, Alex & Hebborn, Klaus (2022): Kommunale Sportpolitik und Sportförderung. Positionen und Empfehlungen des Deutschen Städtetages, Deutscher Städtetag (Hrsg.), Berlin und Köln. Link zu den Positionen und Empfehlungen
6 Senatsverwaltung für Inneres und Sport (2018): Sportstudie Berlin 2017 – Untersuchung zum Sportverhalten. Link zur Sportstudie Berlin 2017
7 Universitätsstadt Tübingen (2018): Vorlage 61/2018 Gender Budgeting und Sport, Anlage 1 Gender und Sport. Link zur Vorlage 61/2018 Gender Budgeting und Sport
8 Deutscher Frauenrat (2017): Fact Sheet: Teilhabe von Mädchen und Frauen im Sport – CEDAW Artikel 10 g) und 13 c). Link zum Fact Sheet
9 Statista (2019): Globaler Markt für Sportsponsoring erreicht mehr als 30 Mrd. USD bei einem Anteil von nur 7% im Frauensport. Link Statista
10 Breuer, Christoph & Feiler, Svenja (2022): Sportvereinsmitgliedschaften in Deutschland – Typen, Bindung und gesellschaftliche Korrelate. Sportentwicklungsbericht für Deutschland 2020-2022 – Teil 3, Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), Bonn. Link zum Sportentwicklungsbericht
11 Breuer, Christoph & Feiler, Svenja (2021): Sportvereine in Deutschland: Ergebnisse aus der 8. Welle des Sportentwicklungsberichts. Sportentwicklungsbericht für Deutschland 2020-2022 – Teil 1, Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), Bonn. Link zum Sportentwicklungsbericht
12 Breuer, Christoph & Feiler, Svenja (2020): TrainerInnen und ÜbungsleiterInnen in Sportvereinen in Deutschland. Sportentwicklungsbericht für Deutschland 2017/2018 – Teil 2, Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), Bonn. Link zum Sportentwicklungsbericht 2017/2018
13 Bundesinstitut für Sportwissenschaft (2023): Strategiepapier – Frauen und Mädchen im Leistungssport, Bonn. Link zum Strategiepapier
14 Deutsche Zeitschrift für Sport Medizin (2022): Menstruationszyklus und Training - die Kraft der Hormone nutzen. Link zum Artikel der Deutsche Zeitschrift für Sport Medizin, zuletzt abgerufen: 16.04.2024.
15 Mauer, Marjorie (2024): Wie zyklusbasiertes Training Frauen im Sport helfen kann. Link zum Artikel der Sportschau, zuletzt abgerufen: 16.04.2024.
16 Female Sportswear: Wie gut passt Frauen die Sportbranche? Link zum Artikel von ISPO, zuletzt abgerufen: 16.04.2024.
17 Women and Equalities Committee House of Commons (2024): Health barriers for girls and women in sport. Link zum Report
Abbildung 1: Eigene Zusammenstellung Klischeefrei im Sport
Abbildung 2: Späing, M., Repenning, S., Meyrahn, F., An der Heiden, I., Ahlert, G. & Preuß, H. (2022): Sportaktivität und Sportkonsum: Eine Frage des Geschlechts? Aktuelle Daten zur Sportwirtschaft, November 2022. 2HMforum. GmbH, GWS mbH, Universität Mainz. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp), Berlin und Bonn. Link zur Studie
Abbildung 3: Deutscher Olympischer Sportbund e. V. (2023): Bericht des Präsidiums und des Vorstands zur 20. Mitgliederversammlung 2023. Gleichstellungsbericht, Frankfurt am Main. Link zum Bericht
Abbildungen 4-8: Deutscher Olympischer Sportbund e. V. (2023): Bestandserhebung 2023, 1. Digitale Auflage, Frankfurt am Main. Link zur Bestandserhebung
Abbildung 9: Statista (2019): Globaler Markt für Sportsponsoring erreicht mehr als 30 Mrd. USD bei einem Anteil von nur 7% im Frauensport. Link Statista
Abbildungen 10-12: Breuer, Christoph & Feiler, Svenja (2021): Sportvereine in Deutschland: Ergebnisse aus der 8. Welle des Sportentwicklungsberichts. Sportentwicklungsbericht für Deutschland 2020-2022 – Teil 1, Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), Bonn.
Abbildung 13: Deutsche Zeitschrift für Sport Medizin (2022): Menstruationszyklus und Training - die Kraft der Hormone nutzen. Link zum Artikel, zuletzt abgerufen: 16.04.2024.
Mauer, Marjorie (2024): Wie zyklusbasiertes Training Frauen im Sport helfen kann. Link zum Artikel, zuletzt abgerufen: 16.04.2024.